von Marc-Uwe Kling
QualityLand
Peter Arbeitsloser hat genug.Ja, so ist das in QualityLand, dem besten aller Länder. Hier muss man sich keine Gedanken mehr über irgendwas machen, denn die Systeme und ihre Algorithmen erledigen alles. Einkauf? Kommt von selbst per Drohne nach Hause. Partnersuche? QualityPartner kennt den perfekten Partner für Dich und hat schon einen Tisch für Euch zwei in Eurem Lieblingsrestaurant gebucht. WeltWeiteWerbung schreibt Dir die schönsten Clickbait-Nachrichten. „Ob die Nachrichten wahr oder falsch sind, interessiert dabei keinen. […] Dumm klickt gut.“
»Niemand«, sagt er.
»Ja, Peter?«, fragt Niemand.
»Ich habe keinen Appetit mehr.«
»Okay«, sagt Niemand.
Bücher passen sich Deinem Lesegeschmack an, Werbung wird persönlich auf Dich zugeschnitten, die selbstfahrenden Autos wissen genau, wohin Du willst, fahren Dich und unterhalten sich dabei mit Dir. Wenn Du mal Unterstützung brauchst, sind Dein Staubsauger-Roboter, Dein sprechender Toaster, Dein Schnürsenkelbinder oder im Bedarfsfall auch Dein Liebesandroide nicht fern. Alles ganz einfach. Und bei dem Grad an Technisierung und der damit zwangsläufig einhergehenden geistigen Degeneration der Bevölkerung ist es kein Wunder, dass bei den bevorstehenden Präsidentschaftswahlen ein Androide antritt, der versucht, nicht mit dem Image eines Terminators, sondern vielmehr mit dem von Wall-E zu punkten.
Schöne neue Welt.
In QualityLand befindet sich jeder in seiner eigenen, von den größten Großkonzernen definierten filter bubble. Das Netz ist allgegenwärtig, jeder ist ausschließlich mit einem QualityPad und einem omnipräsenten digitalen Assistenten unterwegs, konsumiert Unmengen an Werbung und ist grundsätzlich herrlich oberflächlich.
Das Setting des Romans »QualityLand« wirkt, als wäre es aus allen möglichen Sience Fiction-Büchern oder -Serien zusammengepuzzelt, wie zum Beispiel 1984, Gattaca, Minority Report und diversen Folgen der britischen Serie Black Mirror. Marc-Uwe Kling setzt viele teils realistische, teils aberwitzige Ideen einer möglichen, nicht allzu fernen Zukunft zum durchaus annehmbaren Gesamtkonzept QualityLand zusammen. Die Basis für eine gelungene Gesellschaftssatire wäre damit vorhanden, würde nicht der teils sehr platte, klamaukige Humor so vielen Ideen so oft im Weg stehen. Was anfangs noch witzig ist, nimmt irgendwann einfach überhand. Jede gute Idee scheint mit einem Witz verbunden, der sie wieder abschwächt. Ärgerlicherweise führt das dazu, dass gerade die Stellen, die die Satire besonders stark machen würden, im Roman unterzugehen drohen, weil man irgendwann einfach nur noch auf den nächsten Gag wartet – als lese man das Bühnen-Script eines Stand-up-Comedians. Und irgendwann vermutet man hinter jeder Ecke das Känguru aus Marc-Uwe Klings Känguru-Chroniken – das dann tatsächlich auch selbstrefenziell um jene Ecke linst. Leider wirkt es in diesem Szenario aber fehl am Platz. Schade.
Schade auch, dass die zutreffendste Antwort auf die Frage, wie man den Roman QualityLand denn finden soll, wie bereits vorprogrammiert wirkt:
OK.Besser aber auch leider nicht.
QualityLand
von Marc-Uwe Kling
Rezensiert von Rike Zierau
Rike liest nur halb so viel, wie sie es gern möchte und mag weniger als die Hälfte der Bücher nur halb so gern, wie sie es (vielleicht) verdienen. Iris Radisch hält sie für eines der besten Dinge, die der Literaturwelt passieren konnten.