Nowhere Men I: Schlimmer als der Tod
Ich verrate Ihnen wie es abläuft. Wenn wir da rausgehen, ist die Hölle los. Alle werden Fragen brüllen, und zwar gleichzeitig. Aber wenn wir reden, werden sie zuhören.Man soll Bücher ja nicht nach ihrem Umschlag bewerten, und für Comics dürfte das wohl auch gelten, aber es muss auch einfach mal gesagt werden, dass der erste deutsche Sammelband zu »Nowhere Men« in einer tollen Aufmachung daherkommt. Ein schönes, einfaches Design, in dem selbst der Strichcode auf der Rückseite sauber weggeräumt wurde. Wirklich nett. Da haben sich die Damen und Herren von Cross Cult auf jeden Fall mal wieder selbst übertroffen. Und auch ansonsten verspricht eine oberflächliche Betrachtung sehr, sehr viel: Die Geschichte entführt uns in eine Welt, in der Wissenschaft das Hauptthema der Popkultur ist und Forscher den Status von Superstars genießen. All dies begann mit einer Gruppe von jungen Wissenschaftlern, die mit ihrer Firma »World Corp« antraten, die Welt zu verändern. Was sie auch schafften, nur sind die vier mittlerweile entweder verstritten oder verschollen, und auch sonst liegt so einiges im Argen.
Der Hintergrund der Geschichte jedenfalls ist mal was erfrischend anderes und wird auch angenehm ideenreich präsentiert, z.B. durch Rückgriff auf den alten Trick aus »Watchmen«, nebenher ein paar Buchkapitel, Zeitungsauschnitte oder Werbeplakate mit in den Comic einzuweben, die einen tieferen Einblick in die Welt von »Nowhere Men« gewährleisten. Blöd nur, dass die eigentliche Handlung da nicht wirklich was draus macht. Neben einem ganz gelungenen Blick auf die aktuellen Wehwehchen und Intrigen der wie gesagt mittlerweile schlimm verstrittenen vier World-Corp-Gründer darf der Leser hauptsächlich den Bewohnern einer geheimen Raumstation folgen, wie sie erst einige bizarre Metamorphosen durchmachen, nur um dann in komplett abstruse Abenteuer zu schlittern. Nein, irgendwie fühlt sich die Haupthandlung an wie die gezeichnete Version einer Folge der alten SciFi-Anthologieserie „Outer Limits“, und zwar wie eine der besonders billigen: Die Charaktere sind uninteressant, die Geschichte ist banal und Logik scheint auch nur nebensächlich zu sein. Dazu kommt ein Zeichenstil, der zwar auf den ersten Blick – schon wieder auf den ersten Blick – eine schöne Abwechslung zu den üblichen Comicbildchen darstellt und mit hübsch einfach gehaltenen Linien und Flächen überzeugt, der jedoch bei der Darstellung von Gesichtsausdrücken komplett versagt. Der Fairness halber muss man aber anerkennen, dass dieses Manko schon eindrucksvoll auf dem Cover wiedergegeben wird. Im Nachhinein kann man also nicht behaupten, man wäre nicht gewarnt gewesen.
Schon irgendwie schade, dass der Startband von »Nowhere Men« so viel Potential aufbaut, nur um es dann einfach nicht zu nutzen: Wir bekommen eine ungewöhnliche Parallelwelt präsentiert, nur um dann eine gewöhnliche kleine SciFi-Story zu erleben und immer wieder deuten sich große Themen wie die Moral in der Wissenschaft und die Gegenüberstellung von Idealismus und Realismus an, ohne je wirklich thematisiert zu werden. Aber immerhin, quasi als kleiner Hoffnungsschimmer, sei angemerkt, dass was nicht ist ja noch werden kann: Anfang dieses Jahres (und nach zweijähriger Pause) wurde die Reihe in den Vereinigten Staaten fortgesetzt. Es wird sich also zeigen, ob aus der mehr als nur ein wenig interessanten Welt vielleicht doch noch eine würdige Geschichte gewonnen werden kann. Im Zweifelsfall wird Band zwei aber bestimmt wenigstens wieder so hübsch aussehen.
Nowhere Men I: Schlimmer als der Tod
184 Seiten, € 22,00, gebunden
Cross Cult, ISBN 978-3864254000
Christian Langhagen
Cross Cult, ISBN 978-3864254000
Christian Langhagen
Rezensiert von Martin Katzorreck
Martin ist Psychologe und trotzdem ganz umgänglich. Wenn er nicht gerade im Kino sitzt, dann liest er – nach eigenem Ermessen aber immer viel zu selten. Er liebt Bücher, die ihn mit Sprachgewalt packen und in ungesehene Welten zerren. Gerne in Form eines Romans, doch auch Graphic Novels gegenüber ist er nicht abgeneigt. Auch wenn er sie häufig noch als „Comics“ bezeichnet.