von Marlen Haushofer
Himmel, der nirgendwo endet
Meta sitzt strafweise im Regenfaß. Sie hat die Großen bei der Heuernte gestört und geärgert. Sie ist zweieinhalb Jahre und kann nicht über den Faßrand blicken; eingefangen, festgehalten und eingesperrt zu werden ist das Schlimmste, was es gibt.So beginnt der Roman »Himmel, der nirgendwo endet« und so ist Metas Kindheit: ein ständiges Auf und Ab der Gefühle; die Euphorie über neue Entdeckungen, immer im Wechsel mit der Frustration und der Wut darüber, von den Großen, den Erwachsenen, in der eigenen Freiheit beschränkt zu werden.
Meta ist ein Kind mit schier endlos sprudelnder Phantasie. Alles, was sie findet, muss untersucht und probiert werden. Ihre besten Freunde auf dem Hof sind ein großer Stein und ein alter Birnbaum, ihre größten Feinde kommen nachts aus den Märchenbüchern heraus und lassen sie nicht schlafen – insbesondere der eiserne Ritter, der sich hinterrücks im Ofen versteckt, sobald ein Großer“ kommt, weil Meta so schreit. Von den Geschichten vom Kriegsdienst in Russland und in Italien wiederum, die ihr Vater liebend gern erzählt, bekommt Meta nicht genug und träumt sich mit hinein in stundenlange Fußmärsche durch Eis und Schnee. Wenn nur ihre Mutter sie nicht immer so missbilligend behandeln würde, weil die wilde Meta so weit entfernt ist von dem braven Mädchen, das sie sein sollte…
Wenn sie sich an einem Holzstück kratzt, kommt ein bißchen Blut aus ihrer Haut. Sie schleckt es ab, und es schmeckt sehr sonderbar. Natürlich haben die Blumen grünliches Blut, manche auch weißes. Grünes Blut schmeckt gut, weißes ist bitter. Mama mag nicht, daß Meta alles abschleckt oder schluckt. Es gibt auch giftige Pflanzen. Meta bemüht sich, es nicht zu tun.»Himmel, der nirgendwo endet« ist ein liebenswert anrührender Roman über den Zauber der Kindheit und über ein Mädchen, das gegen Rollenklischees aufbegehrt. Er erzählt Metas Geschichte von der jüngsten Kindheit bis an die Grenze der Pubertät und ist ein schillernder Bericht des steten Kampfes der kleinen, mutigen Heldin Meta gegen die schnöde Konvention und alles Profane. Die eigentlich längst verblassten Erinnerungen an unbeschwerte Kindheitstage malt der Roman neu an, mit bunten, leuchtenden Farben und dem zündenden Funken Verrücktheit. Kein Roman, bei dem es ein Skandal wäre, ihn nicht zu kennen (da sollte der Griff dann eher und unbedingt zu Marlen Haushofers »Die Wand« gehen), aber ein Roman, den zu lesen sich trotzdem auf jeden Fall lohnt.
Himmel, der nirgendwo endet
von Marlen Haushofer
Rezensiert von Rike Zierau
Rike liest nur halb so viel, wie sie es gern möchte und mag weniger als die Hälfte der Bücher nur halb so gern, wie sie es (vielleicht) verdienen. Iris Radisch hält sie für eines der besten Dinge, die der Literaturwelt passieren konnten.