Die Demütigung

Er hatte seinen Zauber verloren. Der Impuls war erloschen. Auf der Bühne hatte er nie versagt – alles, was er getan hatte, war stark und erfolgreich gewesen, doch dann war das Schreckliche geschehen: Er konnte nicht mehr spielen.
Diese ersten Sätze etablieren bereits das komplette Szenario des Romans, das große Problem, aus dem die ganze Geschichte ihren Antrieb zieht: Der bedeutende und äußerst erfolgreiche Schauspieler Simon Axler hat sein Talent verloren. Es ist plötzlich weg, von heute auf morgen hat es sich in Luft aufgelöst und einen gänzlich gebrochenen Mann zurückgelassen, dessen Leben mit dem Verlust seiner Fähigkeit zu spielen jeden Sinn verloren hat.
Was dann folgt: Selbstzweifel, Todessehnsucht, Isolation, ein kurzer Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik. Dann vergehen einige Jahre.
Und schließlich tritt Pegeen in Axlers Leben, eine Frau in den Vierzigern, die Axler (er selbst geht auf die Siebzig zu) schon sein Leben lang kennt, denn sie ist die Tochter von alten Bekannten, mit denen er schon vor Jahren zusammen auf der Bühne stand. Das Delikate an dieser Beziehung ist allerdings nicht der Altersunterschied (der Pegeens Eltern aber sehr wohl gegen den Strich geht), sondern die Tatsache, dass Pegeen noch nie mit einem Mann zusammen war. Sie hat sich schon vor Jahren als Lesbe geoutet, Wieso sie jetzt ausgerechnet bei Axler landet, weiß vermutlich nicht einmal sie selbst so recht. (Im Gegensatz zu Axler ist Pegeen zumindest ein Charakter mit Farbe ..).

Da der Roman nun einmal »Die Demütigung« heißt, verrate ich wohl nicht zuviel, wenn ich sage: Natürlich hält die Beziehung, natürlich lieben sich die beiden über alles, auch über die Versuche von Pegeens Eltern, die beiden auseinanderzubringen, hinweg – und natürlich lässt sie Axler dann schließlich doch sitzen, haut von einem Tag auf den anderen ab und lässt den vom Leben Verwirrten, der sich doch mit ihr wieder so sicher fühlte wie schon seit langem nicht mehr, noch mal so richtig schön auf die Fresse fliegen. Wie das Leben eben immer so spielt …
Man ist entweder frei, oder man ist es nicht. Man ist entweder frei, und dann ist es echt, dann ist es wirklich und lebendig, oder es ist nichts. Ich bin nicht mehr frei.
Was mich wirklich beeindruckt hat an diesem Buch: Philip Roth gelingt es tatsächlich, auf nicht einmal 150 knappen Seiten wieder und wieder ins Abschweifen zu geraten. Ich hatte stellenweise mit richtigen Längen in der Geschichte zu kämpfen; die Frage ist, ob es wirklich all dieser winzigen Nebentränge bedurft hätte, denn letztlich konnten sie doch für mich nichts Relevantes oder Neues zum Verständnis des Ganzen hinzufügen. Und noch ernüchternder: Trotz all dieser Exkurse hatte ich am Ende das Gefühl, noch nicht einmal wirklich eingestiegen zu sein: Axler bleibt als Hauptfigur irgendwie ungreifbar, vernebelt. Alles, was er tut und sagt, lässt sich völlig nachvollziehen, keine Frage - ist aber eben meist auch vorhersehbar.

Alles in allem macht der Roman einen eher hölzernen Eindruck, fast so, als sei er eine Skizze, der es noch an Ausarbeitung fehlt. Die Geschichte wirkt überkonstruiert und gleichzeitig wie nebenbei hingewischt. Und da es eben nur einige Seiten sind, bricht dieser Eindruck dem Roman in meinen Augen leider sehr kraftvoll das Genick. Der Geschichte fehlt die Prägnanz, und ihr fehlt auch Bestimmtheit.

Die Demütigung

128 Seiten, € 8,99,
Rowohlt, ISBN 978-3499257803

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Rezensiert von Alexander Schau