von Florian Wacker
Albuquerque
Es ist jetzt drei Wochen her, seit Bunge verschwunden ist. Hier geht alles wieder seinen normalen Gang, zumindest bei denen, für die Bunge nur ein Kollege ist.Insgesamt 14 Kurzgeschichten sind in Florian Wackers erstem Buch »Albuquerque« versammelt, kleine Geschichten von Maurern und Pflegern, von Busfahrern, Bauarbeitern und LKW-Fahrern. Die Kulissen sind alles andere als schön, dafür aber umso banaler: Ein gesichtsloses Hotel an einer Autobahn, eine nächtliche Bahnstrecke im Nirgendwo oder ein Freibad.
Das Personal in Wackers Erzählungen ist Durchschnitt in Reinform: Völlig normale Menschen, die nichts anderes wollen als glücklich zu sein. Sie alle haben ein eigenes Leben und kommen damit auch scheinbar ganz gut zurecht, aber sie alle ahnen auch, dass sich in diesem Leben bald etwas ändern wird. Sie alle stehen vor einem Wendepunkt.
Ich kannte Muffe gerade mal ein Jahr, vielleicht waren’s auch ein paar Tage länger, und jetzt stehe ich hier auf dem kleinen Friedhof am Rand des Stadtparks und rauche hastig noch eine Zigarette, bevor es losgeht. Ich schwitze in meinem Anzug. Der ist geliehen, denn ich gehe eigentlich nie auf Friedhöfe oder zu Hochzeiten.Leider sind alle diese Geschichten größtenteils so sehr auf ihr gemeinsames Leitmotiv reduziert, dass kaum etwas Lesenswertes bleibt. Die Charaktere sind fast ausnahmslos langweilig in ihrer Einfachheit und Anspruchslosigkeit; sie sind zwar menschlich, aber auch blutleer, sie wirken wie Hüllen und Abziehbildchen. Viele ihrer Entscheidungen sind nicht nachvollziehbar. Was für die Dramaturgie der Geschichten zwar an vielen Stellen ein Gewinn ist, wirkt gleichzeitig hölzern und bemüht. Vieles liest sich wie die bloße Nacherzählung einer Filmhandlung.
Die Geschichten hingegen, in denen sich Wacker dann doch etwas weiter aus seinen behüteten Mittelstandskulissen heraustraut, sind durchaus lesenswert: »Kluge Köpfe« etwa ist ein kurzes, aber klares Psychogramm eines Pflegers, der nebenbei illegalen Medikamentenhandel betreibt; in »Feierabend« lässt ein Zugführer seinen Zug auf offener Strecke plötzlich stehen und folgt einem Fuchs in die Nacht hinein. Auch »Die Geräusche der Nacht« ist atmosphärisch dicht und sehr lesenswert!
Insgesamt gibt es unter all den Geschichten drei, vier kurze Lichtblicke. Hier beweist Florian Wacker auch, dass er durchaus erzählen kann – wenn es denn etwas gibt, das sich zu erzählen lohnte. Das ist in »Albuquerque« aber leider nur selten der Fall.
Albuquerque
von Florian Wacker
Rezensiert von Alexander Schau
Alex lebt schon eine Weile nicht mehr in Leipzig, liebt aber immer noch Ebooks und liest eigenen Angaben zufolge durchschnittlich 6,73 Bücher pro Monat. Paulo Coelho findet er immer noch widerlich, daran hat auch der Umzug nichts geändert.